11. April 2018
Ortsbauliches Gesamtkonzept 1. Etappe
Solidarisch und clusterweise der Idee der offenen Raum- und Lernstruktur verpflichtet, entsteht in Kombination mit dem Neuen eine prägnante Autorenschaft. Erst die entschiedene Wertschätzung des Vorhandenen eröffnet die Chance, eine einzigartige Schulanlage entstehen zu lassen.
Die bestehende Schule ist als unmittelbares Ensemble ein bedeutendes Zeitdokument – Friedrich Dürrenmatt besuchte hier einst die Grundschule. Grund genug, architektonisch, sozial und ökologisch, die bestehenden Bauten als Gewinn für Neues anzunehmen. Dennoch: Räumlich und sozial divergieren die heutigen Aussenräume auseinander. Dazu kommt, dass die Anlage künftig mit zwei Adressierungen funktionieren muss und die Zugangssituation umgedeutet werden muss. Dadurch öffnet sich das Areal verstärkt nach Westen und bedingt neu funktional eine Mitte und zwei Zugänge.
«Wer die äußern Formen will bewahren, muß sich nicht zum Verwalter der hohen Dinge machen wollen; wer die hohen Dinge will bewahren, muß nicht die äußeren Formen bewahren wollen.»
(Ludwig Hohl)
Die «hohen Dinge» an der Schule Stalden sind die offenen Freiräume zusammen mit den Bestandsbauten und den fein justierten ergänzenden Neubauten. Freiraum und Gebäude stehen untrennbar in gegenseitiger Beziehung und Abhängigkeit. Die eigenartige, unnahbare Eingangssituation an der Thunstrasse wird transformiert und bedient die öffentlichen Gebäudeteile wie Aula, Tagesschule und später die Turnhalle für Verkehr, Schulbusse und die Anlieferungen funktional getrennt von den primären Bewegungsräumen der Kinder.
Die nahezu verkehrsfreie Hübelistrasse behält den Charakter eines Feldweges. Eine klare Zuganssituation lenkt in die Anlage ein. Dezentral bei den Zugängen sind Veloabstellplätze angeordnet.
Das Bestehende und das Spezifische wird gestärkt und eine identitätsstiftende, charakteristische Adresse mit unterschiedlichen Platzfolgen bietet sich im Zentrum der Anlage an. Die Schule verlangt nach einem Zentrum der Unmittelbarkeit und der Verbindlichkeit und somit nach einem Städtebau der Begegnung. Alle Zugänge sind vom Platzraum aus erreichbar. Abgeleitet aus der Topographie situieren sich diese auf unterschiedlichen Niveaus. Die Dialektik der Zwischenräume verpflichtet sich dem Ganzen, dem Ensemble.
Die Notwendigkeit der Erweiterung kombiniert mit der Wertschätzung des Vorhandenen wird als Chance verstanden, die offene, additive Baustruktur in eine urbanistische Anmutung zu transformieren. Nicht nur städtebaulich trägt die Metamorphose zu einer Vielfalt bei, auch sozial begünstigt die Weiterentwicklung lebendige und durchmischte Orte.
Die Attraktivität und Anmutung der Gruppe oder des Ensembles ist höher als die ihres schönsten Einzelteiles – zusammen fügen sie sich zu einer unzertrennbaren Einheit.
Aussen- und Freiräume
Aus dem bestehenden Vegetationsbestand entwickeln sich Sequenzen unterschiedlicher Dichten mit fokussierten Durchblicken. Als kultivierte Leerräume verbinden sich die Pausen-, Sport- und Platzräume zu einer untrennbaren Einheit.
Auf dem weitläufigen Areal etabliert sich eine neue Vegetation, ein lockerer Schulpark primär aus Weisstannen (Abies alba) im Wechsel mit dem Vogelbeerbaum (Sorbus accupaira) und einer Busch- Bodendeckervegetation sowie extensiven Wiesen und dem Rasenspielfeld. Die Weisstanne ist am Eingang zum Emmental primärer Vertreter des Landschaftsbildes und hier bestens vertraut. Spätestens seit den Germanen symbolisiert diese immergrüne Art ewige Lebenskraft, fortwährendes Wachstum und unerschöpfliche Fruchtbarkeit – vielleicht bewährte Synonyme für den Begriff Bildung. Räumlich und ideologisch entwickelt sich eine vertraute wie auch surreal anmutende Schulanlage, die aus der örtlichen Ressourcen schöpft und wächst.
Ein feines Wegnetz verbindet die einzelnen Aufenthalts- und Spielorte zu einer Folge von Bildern – der zentrale Platz, der Brunnenplatz, der Schulgarten, die Bolz- und Sportplätze, die gefassten Basisstufengärten, der gedeckte Pausenraum und die verwunschenen Aufenthaltsorte unter den Tannen.
Architektonisches Konzept und Nutzung
Der Klassenzimmertrakt ist über eine gedeckte Esplanade, die als verbindendes Element zwischen Pausenhof und der höher gelegenen Hübelistrasse vermittelt, erschlossen. Basistufenschüler haben zusätzlich die Möglichkeit, direkt ab Hübelistrasse über ihren Aussenraum in ihre Gruppe zu gelangen.
Über eine Vorzone und gut sichtbare einläufige Treppe im Erdgeschoss gelangen die Schüler direkt in ihre halbe Einheit ein oder zwei Geschosse höher. Dort eröffnet sich ein spannender und gut belichteter Gemeinschaftsbereich, der je eine eigene Zone für die Basistufe und leicht versetzt dazu eine Zone für die älteren Schüler aufweist. Sämtliche Zimmer und Gruppenräume sind direkt ab diesem Gemeinschaftsbereich erschlossen bzw. lassen sich über Raumabgrenzungen dynamisch verändern und je nach Bedarf dazu einbinden oder abtrennen.
Diese räumliche Durchlässigleit einerseit in horizontaler aber auch vertikaler Richtung ermöglicht eine optimale Zusammenarbeit über die unterschiedlichen Altersgruppen hinweg und bietet damit gute Überschaubarkeit und klare Strukturen, ohne Nischen und Rückzugsmöglichkeiten zu vernachlässigen.
Die Basistufenklassen erreichen ihren eigenen Aussenraum mit grosszügigem gedeckten Vorbereich direkt über die Garderoben, ohne den Gemeinschaftsbereich durchqueren zu müssen.
Eine allfällige Reduktion auf 20 Klassen wird durch einfaches Weglassen der obersten nördlichen Halbeinheit im Norden erreicht und könnte auch zu einem späteren Zeitpunkt mit einfachen Mitteln zugefügt werden.
Der öffentlichere Bau mit markantem Dach an der Thunstrasse ist mit seinem gedeckten Zugangsbereich einerseits direkt an die Strasse, andernseits über einen zweiten Eingang im Westen auch an den Klassenzimmertrakt und den Pausenhof angebunden.
Die im Erdgeschoss angeordnete Tagesschule und die Aula mit Musikzimmer teilen sich dabei das zentrale Foyer, das als Dreh- und Angelpunkt des Gebäudes dient und bis unter das Dach reicht. Hier sind vielfältige Nutzungen wie Aperos, Ausstellungen und am Mittag auch eine Erweiterung des Essraumes denkbar. Eine zenithale Belichtung ermöglicht eine helle, freundliche Atmosphäre und unterstreicht die Idee der Mitte und Herz des Gebäudes.
Über eine grosszügige Treppe sind die intimeren Nutzungen wie Logopädie, Lehreraufenthalt und Schulleitung erreichbar.
Team:
Maurus Schifferli Landschaftsarchitekt, Bern
Bächtold & Moor AG, Bern
Gruner Roschi AG, Köniz
Grolimund + Partner AG, Bern
Nutzung: Schule, Sport, Veranstaltung
Studienauftrag
Auftraggeber: Gemeinde Konolfingen
Jurierung: 2018